Farben und Sphären

“Demokratie der Farbe” ist der Titel einer Arbeit, die 2009 entstand. Sie wurde zum Vorreiter einer umfangreichen Werkgruppe, bei der das Zusammenspiel einer Vielzahl von Farben die Dynamik der Bildkompositionen bestimmt. Die “Herrschaft” der Farben wird dominant. Formal organisiert sind diese Farbspiele in Gestalt von Kreisen, die jedoch oftmals auch räumlich als Kugeln oder Sphären erscheinen. In anderen Fällen werden die Farbkreise mit zufällig anmutenden und doch genau gesetzten Linien kombiniert. Daneben gehören Kreis- und Kugelformen in Verbindung mit einer kleineren Farbpalette schon lange zu den zentralen Motiven, die immer wieder vielfach eingesetzt und abgewandelt wurden, wie etwa im mehrfach variierten “Lichtblubbern”.

Fellstudien

Ein Fund vom Friedhof der Kuscheltiere: Fellstücke. Sie landeten im Materialfundus. Bei der kreativen Stellprobe zeigte sich, dass die haarigen Teile mit ihren wohlgeordneten Scribble-Linien im richtigen Kontext eine besondere Wirkung entfalten. So kommt der Zufall ganz natürlich und als tatsächlicher Naturstoff ins Spiel. Ein organischer Wärmespeicher auf anorganischen Bildfeldern. Beuys ging uneinholbar weiter: Er verwendete die Tierhaare des Fells erst als sie Filz geworden waren.

Linien und Formen

Große, markante Formen aus kleinen, scheinbar suchend über die Fläche irrenden Strichen – das klingt nach einem Widerspruch. Doch wie jeder weiß, der es praktiziert: das Kritzeln und Scribbeln ist ein Prozess spielerischer Verdichtung. Er beginnt mit Zufällen und kann zu Ergebnissen von überzeugender Notwendigkeit führen. Vorbilder in der Natur sind kahle Äste oder Pflanzengeschlinge. “Yuyal” heißt im Spanischen Gestrüpp. Doch das ist nur das eine Ende des variantenreichen Spektrums. Auf der anderen Seite stehen körperhaft pflanzliche Formen und raumdurchquerende Linien – Leuchtspuren wie in “Walking along in Dark and Bright”. Oder es heben sich vom Gewimmel der verschlungenen Linien dominante Formen ab: aus vieldeutigem Chaos tritt zeichenhafte Eindeutigkeit hervor.

Module und Installationen

Den Ausbruch aus herkömmlichen Bildformaten treibt Beatriz von Eidlitz gern voran bis zur Besetzung von Wänden und ganzen Räumen. Dabei benutzt sie mitunter besonders kleine Bildformate, um sie wie ästhetische Intensitätsherde auf Wandflächen zu platzieren. Vielteilige Arbeiten spielen im Werk der Künstlerin eine große Rolle. Sie hat schon Hängungen realisiert, bei denen sich ihre kleinen Bildobjekte regelrecht wie Schwärme über ganze Wände ausgebreitet haben.
Beatriz von Eidlitz begreift die Auseinandersetzung mit Raumarchitekturen als eine fesselnde Herausforderung. Räume erschließen und Wände mit Kunst besetzen, Räume wie Bildträger behandeln – solche Konzeptionen sind ihr besonders wichtig. „Ein Ziel, das ich anstrebe sind Räumlichkeit und Tiefenwirkung. So setze ich zwar klare, feste Formen und Umrisse ein, doch nur, um sie zugleich durch Transparenz oder Räumlichkeit oder Bewegung wieder zu verwandeln.“ (Katalog 2007)

Ocker und Schwarz

Ockertöne mit ihrem erdigen Charakter gehören genauso wie alle Abstufungen von Schwarz zu den Urtönen unseres Planeten. Ocker in Verbindung mit Rosttönen gehören auch zu den Grundelementen im Werk von Beatriz von Eidlitz. Allein die Präsenz dieser Farbwerte ruft gemeinsam mit dem Schwarz elementare Assoziationen auf. Sei es von Landschaften wie in den “Seestücken” von 2009 mit ihrer aleatorischen Formentfaltung, bei der die Bewegung des Wassers während des Papierschöpfens ihre Spuren hinterlassen hat. Sei es in phantastischen, formal fest umrissenen Bilderfindungen wie “Into the Space”. Oder in den “Mondbildern”, die manches von der Faszination des vertrautesten Erdsatelliten im Bildraum widerspiegeln, mitunter sogar seriell. Einen Gegenpol dazu bilden die urbanen Muster der “Stadtlandschaften”.

Schaum und Struktur

Telefonieren und Kritzeln – so wuchsen in kleinen Skizzenbüchern einige der Bildideen heran, die dem Auge eine faszinierende Zweideutigkeit vorspiegeln. Sieht man hier Blasen oder Kiesel, Weiches oder Hartes, luftigen Schaum oder rollende Steine, Organisches oder Anorganisches? Der nächste Schritt führte zu netzartigen Strukturen, und auch hier erhebt sich wieder die Frage: Pflanzlich oder geologisch? Beatriz von Eidlitz: „In der Transparenz der Form hin zum Ungeformten, im Ineinander von Komposition und Textur zeigen sich für mich die Polaritäten des Lebendigen – Plan und Zufall.“

Papier und Oxydationen

Argentinien trifft Waldviertel. „Hier haben meine Bilder ihre Vorfahren“, sagte Beatriz von Eidlitz vor den bunten Gesteinsformationen in der Quebrada de Humahuaca. In einer waldviertler Papiermühle dagegen begann sie ihre Technik zu entwickeln. Dieses Abenteuer begann mit dem Versuch, Hadernpapier direkt auf eine Eisenplatte zu schöpfen.
Geschöpftes Hadernpapier erzeugt auf Eisenplatten durch Oxydation eine Vielfalt von Rosttönen, die ergänzt werden durch Farbpigmente. Hinzu kamen damals Fundstücke wie Sägen und andere Eisenteile. Ähnlich wie beim Prägedruck erhielt die Bildfläche dadurch die Struktur von Reliefs. Weitere in das Papier eingeschlossene Elemente wie Draht, Stroh oder Baumwollstreifen ließen den Charakter von Materialbildern entstehen. Das verwendete Hadernpapier hat ganz besondere plastische Qualitäten. Es bringt die Spannung zwischen definierten Formen und den wie von Naturkräften geschaffenen Oberflächentexturen besonders lebendig zur Geltung.

Von weit her

Woher kommen die Ideen, aus denen Bilder entstehen, die zugleich gegenständlich greifbar und äußerst rätselhaft anmuten? Am Anfang stand hier die Erinnerung an Kinder, die auf Lastwagenreifen im Fluss paddelten, damals am Rio. Dann verwandelte sich von 1996 bis 1999 die plastische runde Gestalt der Reifen in alle Richtungen. Ganz andere Assoziationen entstanden: Schwebende Unterwasserwesen? Serielle Kompositionen. Die Bildzeichen kommunikativer Codes? Fantastische Objekte zwischen Technik und Natur? Kräftespiele zwischen Rundem und Linearem.